Metamorphosen in der Schul- und Zuggestaltung
Im zweiten Teil über die Metamorphose in der Architektur geht es mit Beispielen von Prof. Karl-Dieter Bodack um die Idee der Weiterentwicklung von Formen und um die interessante Frage: Wie kann eine Verbindung zwischen den einzelnen Elementen des Raumes entstehen?
Weiterentwicklung mit einem Motiv
Etwas spezifischer wird die Metamorphose von Prof. Karl-Dieter Bodack als ein Mittel zur Gestaltung beschrieben. Er ist unter anderem bekannt durch die Gestaltung der InterRegio-Züge und die Gründung des Studiengangs Design an der Hochschule Coburg. Zur Metamorphose beschreibt er, wie Formen oder Farben mit einem gewählten Motiv weiterentwickelt und verwandelt werden. Dieses Motiv wird dabei aus den Aufgaben, der Funktion oder aus dem Wesen der Sache entwickelt.
So kann in einem Raum beispielsweise eine gegebene Form oder Fläche mit diesem Motiv weiter gestaltet werden und aus dieser neuen Form können wiederum weitere Formen abgeleitet werden. Dadurch wird gewissermassen ein Prozess sichtbar abgebildet und zudem auch ein Zusammenhang zwischen den Formen hergestellt.
Karl-Dieter Bodack (rechts) im Gespräch mit Heinz Grill und Rainer Dahlhaus über Innenarchitektur und ihre Wirkungen auf den Menschen.
Beim InterRegio-Zug, der 1988 bei der Deutschen Bundesbahn eingeführt wurde, ist die gerade Zugdecke mit den unterschiedlichen Längen und Trennfugen zu einer gewellten Deckenform gestaltet worden. Diese Wellenform orientiert sich variabel an den Gegebenheiten der Decke. Das Motiv schildert Prof. Karl-Dieter Bodack so, dass man beim Bahnfahren ganz sachte bewegt werden soll, wie die Wiege des Babys, wo man in einem schönen Rhythmus bewegt wird. Dadurch ist die Idee entstanden eine Wellenform an die Decke zu bringen, um die langen Räume zu strukturieren.
Aus dieser Wellenform wurden weitere Formen für die Abteilgestaltung entwickelt. So ist ein sich zuspitzender Abschnitt der Wellendecke in der Weitergestaltung die Glasform der Garderobe geworden.
Eine entwicklungsfördernde Schulgestaltung
Ein weiteres Beispiel, bei dem Prof. Karl-Dieter Bodack ebenfalls wesentlich mitgewirkt hat, ist die Rudolf-Steiner-Schule in Gröbenzell. Beim Bau der Schule wurde besonders berücksichtigt, dass die Schulkinder über die Jahre einen Entwicklungsprozess machen. Um dies bestmöglich zu unterstützen sollte in der Architektur gleichsam eine Entwicklung zum Ausdruck kommen. Hier wurde die Idee der Metamorphose aufgegriffen und in den Klassenzimmern eine Formveränderung in mehreren Stufen umgesetzt. Eine Metamorphose von rundlichen und eher geschlossenen Formen zu mehr strukturierten, geometrischen und offenen Formen.
"Wie kann man die Kinder in der Entwicklung unterstützen?
Und der erste Schritt ist der, dass man nicht dem Erstklässler und dem Zwölftklässler den gleichen Raum bietet. Der soll sich ja entwickeln. (…)
Und so ist also die Aufgabe der Schularchitektur sicher den Lernprozess im einzelnen zu unterstützen, aber den Lernprozess auch so zu fördern, dass die Schüler eine Sehnsucht entwickeln, jedes Jahr eine Stufe weiter zu kommen, in einen anderen Raum zu kommen, mit anderen Farben und mit anderen Raumgestalten."
Prof. Karl-Dieter Bodack, im Interview über Spirituelles Bauen auf Youtube
Runde Formen in der Unterstufe
Die Räume der Unterstufe haben kleinere Fenster, runde Formen und schlichte Deckengestaltungen. Auch im Flurbereich vor den Klassenzimmern und bei den Eingängen dominieren die rundlichen weichen Formen:
Der Ingenieur und Hochschulprofessor Karl-Dieter Bodack entwickelte nach anthroposophischen Grundsätzen auch sehr ansprechende Gestaltungen für Schulen. Diese finden grossen Anklang bei den Schülern und Lehrern und zeigen sich als eine wertvolle Grundlage für das soziale Miteinander im Alltag.
Strukturiertere Formen in der Mittelstufe
In der Mittelstufe werden die Räume offener und die Formen und Deckenflächen strukturierter. Auch der Flurbereich ist hier etwas offener und bereits mehr von geraden Strukturen und Linien geprägt:
Offene Formen in der Oberstufe
Die Räume der Oberstufe sind schliesslich mit grossen Fensterflächen nach aussen geöffnet und die Formen sind geometrischer und klarer. Der Flur und Treppenaufgang ist offen, mit viel Licht von oben und es finden sich konstruktive Elemente, wie die sichtbare Metallkonstruktion:
Eine verbindende Atmosphäre
Bei diesen Zugeinrichtungen und Klassenzimmern sind schöne Möglichkeiten aufgezeigt, wie Formen weiter entwickelt werden können. Mit diesem Weiterentwickeln werden Bezüge und Verbindungen geschaffen, sodass die Formen nicht zusammenhanglos für sich stehen. Die Erfahrungen von Karl-Dieter Bodack mit dem Interregio-Zug und der Schule in Gröbenzell zeigen auch, dass solche gestalteten Räumlichkeiten eine kommunikative, entwicklungsfreudige und verbindende Atmosphäre für die Menschen entstehen lassen.