In der nächsten Zeit werde ich verschiedene interessante Bauwerke besuchen und jeweils einen Artikel mit ein paar Eindrücken und Details davon veröffentlichen. Dies hier ist der erste über ein Seminarhaus in Norditalien.
Seminarhaus in Naone
Im Trentino befindet sich oberhalb eines dörflichen Gebietes auf einer grösseren Waldlichtung ein interessant gestaltetes Gebäude. Die Zone dort wird Naone genannt und ist etwa eine halbe Stunde zu Fuss vom letzten Dorf Lundo entfernt. Bereits diese Lage und dadurch das Eingebundensein in eine natürliche Umgebung ist eine besondere Charakteristik des Seminarhauses. Es ist nur über Forststrassen erreichbar, es gibt dort kaum Mobilfunkstrahlung und von der Lichtung hat man eine weite Aussicht. Es liegt etwa auf 1000m und so sieht man von dort hinüber zu den Brenta Dolomiten und zu der Adamellogruppe.
Besonders hervorzuheben ist auch die umfangreiche Landschaftsgestaltung um das Gebäude herum. Auf etwa 2 Hektar finden sich ansprechend gestaltete Wege, verschiedene kleine Plätze, ein Bachlauf mit Tauchbecken und eine Anbaufläche für Getreide und Gemüse. Bei diesen Plätzen und Wegen lassen sich viele Ideen und Details entdecken. Interessant ist auch wie sie in Zusammenhang mit dem Gebäude angelegt wurden – hierzu weiter unten noch mehr…
Aus einer Ruine entsteht das Casa artistica
Auf dem Bauplatz war nur noch eine alte Ruine mit eingefallenen Bruchsteinmauern. Diese wurde dann 2020 im gleichen Grundriss mit einem neuem Dach, grossen Fenstern und Sichtmauerwerk wieder aufgebaut.
Im Inneren des Hauses finden sich ebenfalls zahlreiche künstlerische Baudetails. Auffallend ist die Offenheit nach aussen, wie auch zwischen den Räumen und Stockwerken, durch die vielen Glasflächen und Glaselemente. Es wirkt weit und lichtdurchflutet. Auf diesen Aspekt wurde auch bei der Planung besonders geachtet. Das Licht soll zwischen den Räumen und zwischen draussen und drinnen zirkulieren und nicht zu sehr abgeschlossen sein. So sind auch die Türen und Teile der Innenwände mit Glas und die Fensterflächen grosszügig dimensioniert.
Auch die sich öffnenden Fensterlaibungen mit hellen Fliessen führen das Licht besser in den Raum und unterstützen dieses Zirkulieren. Es wird auch noch durch die Abschrägungen in den Raumecken, die Spiegelflächen und die hellen reflektierenden Farbtöne an Boden, Decke und Wänden weiter gefördert.
Planerische Zusammenhänge im Innenausbau
Eine interessante Möglichkeit beim Planen von Innenausbau oder von Möbeln ist das Berechnen von mathematischen Zusammenhängen zwischen den Gegebenheiten im Gebäude und den neuen Elementen. Man kennt dies vielleicht in ähnlicher Form von älteren Bauepochen, oder wenn beispielsweise Proportionen wie der goldene Schnitt berücksichtigt werden. Im Seminarhaus wurden nun alle neuen Konstruktionen in einen Zusammenhang mit der Grundfläche des Gebäudes gebracht.
Es wurde die Grundfläche des Gebäudes mit knapp 94m² genommen und ein Kreis berechnet, der exakt die gleiche Fläche hat. Er hat einen Radius von 5,5m. Weiter wurde in diesen Kreis ein Siebeneck gezeichnet und in dieses Siebeneck ein Heptagramm konstruiert. Wie man auf der folgenden Zeichnung sieht, entsteht in der Mitte des Heptagramms wieder ein kleineres Siebeneck.
So wurde beispielsweise ein Bett mit zwei Kreisbögen in eine Raumecke konstruiert. Für die lange Seite wurde ein Segmentbogen mit dem Radius des grossen Kreises (5,5m) verwendet und für die kurze Seite ein kleiner Radius von 1,9m. Dieser entspricht einem Kreis durch die Schnittpunkte des Heptagramms.
So wurde die Konstruktion aus dem Grundriss vielseitig weitergeführt, vergrössert und verkleinert, es wurden Winkel und Teilungsverhältnisse daraus entnommen und vereinzelt wurde auch das Siebeneck als sichtbares Gestaltungselement, beispielsweise bei einer Tischplatte, verwendet. Dadurch wurde ausgehend von einem gedachten Zentrum mit dem Kreis der Grundfläche, jeweils ein konkreter Zusammenhang zu den neuen Elementen und folglich auch zwischen diesen Elementen geschaffen.
Die Aussengestaltung mit sieben gedachten Kreisen
Auch beim Aussengelände wurden diese Zusammenhänge weiter berücksichtigt. Beispielsweise bei der Anordnung neuer Plätze auf dem Aussengeläde. Hier wurden sieben Kreise um das Gebäude konstruiert. Der Umkreis um den Gebäudegrundriss wurde dazu mehrmals mit der Länge des Hause vergrössert und auf diesen gedachten Kreislinien sind die neuen Bereiche angeordnet. So befinden sich auf dem vierten Kreis die Säule, das runde Glashaus, der runde Steinplatz und die Anbaufläche.
Die rechnerischen Zusammenhänge und ihre Wirkung
Einen solchen geometrischen Zusammenhang, beispielsweise zwischen dem Bett und dem Grundriss, kann man natürlich nicht direkt sehen. Dennoch werden solche Räume und Einrichtungen meist als sehr harmonisch empfunden und zudem haben die verschiedenen Formen und Möbel dadurch einen besseren Zusammenhang zueinander. Ohne diesen Zusammenhang könnte bei umfangreichen Gestaltungen eher auch ein abstrakter oder überladener Eindruck entstehen.
Viele dieser Gestaltungsideen für das Seminarhaus stammen von Heinz Grill. Er ist Autor und Geisteswissenschaftler und beschreibt in einem Buch über Architektur diese Wirkungen auf den Menschen folgendermassen:
"Für die Gestaltung – beispielsweise von Mobiliar oder bestimmten Raumausbuchtungen oder Raumauskleidungen, sei es ein Ofen, sei es irgendein Fensterbrett oder auch ein Fenster – ist der Gedanke der Übereinstimmung nicht ganz unbedeutend, denn wenn ein Zusammenhang entsteht, dann entsteht auch ein sehr angenehmes, dem Menschen nahetretendes Empfinden. Das Gemüt fühlt sich in den Räumen, in denen Zusammenhänge bestehen, wohler."
Heinz Grill, Die Idee der Synthese von Spiritualität und Baukunst
Weiter beschreibt Heinz Grill dies noch am Beispiel eines Rednerpultes, dass in einem anderen Gebäude dort aus den Gegebenheiten konstruiert wurde. Im sogenannten Astralleib wird der mathematische Zusammenhang durchaus erkannt (mit Astralleib ist der Teil des Menschen gemeint, der das Bewusstsein und die Empfindungen und Gefühle umfasst – wird oft auch als Seele bezeichnet):
"Es ist sehr bedeutungsvoll, dass ein Zusammenhang in den Konstruktionen besteht. Der Bogen ist im Altbau enthalten, jenes Element des Rednerpultes ist neu hinzugekommen. Nun wird dieses neue Element auf mathematisch-rechnerische Weise mit dem alten Element in einen Zusammenhang gebracht. Dadurch merkt der Astralleib, dass ein Zusammenhang besteht. Das neue Element ist nicht aus Zufall, sondern es ist im Zusammenhang mit dem Altbau entwickelt. (…)
Dieser sich in den Formen findende Zusammenhang lässt sich für den Betrachter in der Regel als ein rückwirkendes regenerierendes Harmonieempfinden erleben."
aus: Heinz Grill, Die Idee der Synthese von Spiritualität und Baukunst
Seminarhaus, Meditationsort und ein ökologisches Projekt
Das Gebäude ist Teil des ökologisches Projekts „Sonnenoase“ . Weitere Eindrücke und Informationen dazu findet man auf der eigenen Internetseite:
Naone – Ein Ökologisches Projekt mit Kunst, Natur und Spiritualität
das aus der Notwendigkeit der Zeit als erlebbares Beispiel für eine zukünftige Kultur gedacht ist